Prof. Dr. phil. habil. Horst Langer |
IV. Aus den literarischen Texten 1. VENUSNARREN
Wir lesen von drei Hähnen, die zur Nacht krähten, als die Frau bei dem Ehebrecher lag; die Magd in dem Haus verstand den Gesang der Vögel. Der eine Hahn krähte die erste Nacht: "Meine Frau ist dem Herrn untreu." Das berichtete die Magd ihrer Gnädigen. Die Frau sprach: "Der Hahn muss sterben!" - und der Hand ward gebraten. Der zweite Hahn sang in der nächsten Nacht; als die Magd das auslegte, da sie gefragt ward, sagte sie: "Der Hahn hat gekräht: Mein Gesell ist gestorben um der Wahrheit willen." Darauf entschied die Gnädige: "Er soll auch sterben!" So ward er ebenfalls gebraten. Als die Frau erneut bei ihrem Buhlen lag, krähte der dritte Hahn, was die Magd so auslegte: "Höre, sieh, aber schweig, wenn du in Frieden leben willst."
Ein alter Schmied war in dem Kloster Zwifalten im Württemberger
Land, der ging auf eine Kirchweih. Auf dem Weg kam er zu einer jungen
Frau, die war hübsch, freundlich und wohlgestalt; auch verstand sie,
einem die Beschaffenheit wohl abzuschätzen.
Einst hatte ein Biedermann ein Weib, das reagierte für und für
übel, wenn er solche Sachen, die man jenseits des Rheins (in Frankreich)
zu treiben pflegt, mit ihr tat. Ich weiß nicht, wie er mit ihr umgegangen
ist, immer sagte sie allerwegen: "Nun wärest du mir viel lieber,
wenn du keinen hättest und still lägest, als dass du so unruhig
bist."
Ein Großmaul und rechter Löffel war ein Bauer, der nichts denn von seiner schönen jungen Frau, wie sie so freundlich wäre, zu sagen wüsste; erzählte auch, wie er sie so lieb hätte und dass er nicht leiden könnte, dass sie ein anderer angreifen sollte. Wenig später ging er zusammen mit ihr durch einen Wald, darin ihnen ein Reiter begegnete, der den Tölpel zwang, ihm das Weib zu seinem Willen zu übergeben. Und als er seinen Mantel auf der Erde ausgebreitet, zog er den Gaul darauf und sprach zu dem Bauern: "Nun halte das Pferd beim Zügel und sieh zu, dass es mit keinem Fuß vom Mantel trete, sonst werde ich dir deinen Kopf einschlagen." Danach, als der Reiter seines Weges hinweg geritten, schalt das Weib ihren Mann heftig seiner Kleinmütigkeit halber und dass er solchem Mutwillen nicht anders zuvorgekommen wäre. "Ach, schweig still", sprach der, "du hörtest wohl, wie er mir befahl, den Gaul nicht vom Mantel schreiten zu lassen? Das aber habe ich wohl hundertmal, und zwar auch gern, geschehen lassen - so hat der Gaul den Mantel mit meiner Hilfe voller Löcher gestoßen."
Schon Jahrzehnte, bevor das erste jener Bücher, aus denen wir unsere Texte gezogen haben, auf den Markt gekommen war, hatte der Straßburger Frühhumanist Sebastian Brant in seinem berühmten Narrenschiff (1494) gedichtet: Heuschrecken hütet an der Sonnen Freilich unterschied der Dichter zwischen schlechten
und ehrbaren Frauenzimmern, als er feststellte: "Denn die
wohl will, tut selbst das Rechte..." - muss also nicht "behütet"
werden. Obwohl mehr oder weniger alle in Brants Nachfolge stehende Autoren
bereit waren, weibliches Wohlverhalten zu loben: Interessiert haben
sie sich eher für verruchte Vertreterinnen ihres Geschlechts
- vorgeblich, um warnen zu wollen vor Lotterei und ungezügelter Fleischeslust
sowie vor deren vermeintlich oder tatsächlich zerstörerischen
Folgen. In Wirklichkeit aber nicht zuletzt, weil Tugendhaftigkeit
zwar erstrebenswert schien, jedoch als langweilig galt. (...) |
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