Prof. Dr. phil. habil. Horst Langer

IV. Aus den literarischen Texten

1. VENUSNARREN


Drei Hähne krähten vor dem Ehebruch (1522)

Wir lesen von drei Hähnen, die zur Nacht krähten, als die Frau bei dem Ehebrecher lag; die Magd in dem Haus verstand den Gesang der Vögel. Der eine Hahn krähte die erste Nacht: "Meine Frau ist dem Herrn untreu." Das berichtete die Magd ihrer Gnädigen. Die Frau sprach: "Der Hahn muss sterben!" - und der Hand ward gebraten. Der zweite Hahn sang in der nächsten Nacht; als die Magd das auslegte, da sie gefragt ward, sagte sie: "Der Hahn hat gekräht: Mein Gesell ist gestorben um der Wahrheit willen." Darauf entschied die Gnädige: "Er soll auch sterben!" So ward er ebenfalls gebraten. Als die Frau erneut bei ihrem Buhlen lag, krähte der dritte Hahn, was die Magd so auslegte: "Höre, sieh, aber schweig, wenn du in Frieden leben willst."


Von einer jungen Frau, wie sie einem alten Mann eine Antwort gab
(1557)

Ein alter Schmied war in dem Kloster Zwifalten im Württemberger Land, der ging auf eine Kirchweih. Auf dem Weg kam er zu einer jungen Frau, die war hübsch, freundlich und wohlgestalt; auch verstand sie, einem die Beschaffenheit wohl abzuschätzen.
Der gute alte Geck griff sie freundlich an, betastete ihr die Brüstlein, den Bauch und den Hintern beim Küssen und sagte: "Oh, liebes Fräulein, da liegen viele starke Kämpfe verborgen, die alle gehalten sein müssen." Das Fräulein gab ihm Antwort und sagte: "Ja, lieber Freund, ich glaub's, es könnte so geschehen. Ihr mögt aber wohl dieses Rennplatzes oder Turnierfeldes müßig stehn; denn Ihr werdet kein Ritter da werden, auch auf dem Stechplatz keinen ritterlichen Lohn oder Ehre holen."
Der gute alte Vater nahm den Wedel zwischen die Beine wie ein Hund, zog heim und war wohl geheilt - hatte er doch seine sieben Pfennige erhalten: die waren ihm bar entrichtet worden.



Illustration: Ronald Paris


Ein Mann sagt, er hätte noch ein kleines Zipfelein
(1558)

Einst hatte ein Biedermann ein Weib, das reagierte für und für übel, wenn er solche Sachen, die man jenseits des Rheins (in Frankreich) zu treiben pflegt, mit ihr tat. Ich weiß nicht, wie er mit ihr umgegangen ist, immer sagte sie allerwegen: "Nun wärest du mir viel lieber, wenn du keinen hättest und still lägest, als dass du so unruhig bist."
Da gedachte der gute Gesell: "Wie tätest du dir nur, dass du erfahren könntest, wie lieb dich doch deine Frau habe, wenn du keinen hättest?" Da ließ er einen Darm mit Blut füllen, ging heim, nahm eine Axt und begann mit ihr zu hantieren. In einem Moment nun, der ihm günstig schien, zog er sein gemachtes Würstchen hervor und hieb es entzwei, so dass der Axtstock voller Blut war. Danach rief er das Weib, das zu derselben Zeit in der Küche war, und sprach: "O weh, o weh, meine liebe Hausfrau, ist's mir so übel gegangen! Ich hab' meinen Bupenhan ganz und gar abgehauen. Da siehst du noch das Wahrzeichen." - "O du nichtsnutziger Mann", sagte die Frau, "wer will jetzt bei dir sein, da du keinen mehr hast? Wem willst du nun nütze sein?" Kurz darauf schnürte sie ihre Habe zusammen und wollte davon, sagte zu ihrem Mann: "Ei du niemand nützer Kerl, jetzt hause du allein! Ich will mir einen suchen, der mir von Zeit zu Zeit die Mütze streichen kann."
Als nun der Mann die Frömmigkeit seines Weibes sah und wohl erkannte, dass sie ohne ein solches Ding nicht bleiben wollte, sprach er: "Ei komm her, meine liebe Frau! Ich hab' noch ein kleines Stümpflein." - "Ach", sagte die Frau da zu ihrem Mann, "so will ich gleich bei dir bleiben. Es ist denn ein Zipfelein besser als gar nichts."


Eine schwere Rache des Ehebruchs
(1559)

Ein Großmaul und rechter Löffel war ein Bauer, der nichts denn von seiner schönen jungen Frau, wie sie so freundlich wäre, zu sagen wüsste; erzählte auch, wie er sie so lieb hätte und dass er nicht leiden könnte, dass sie ein anderer angreifen sollte. Wenig später ging er zusammen mit ihr durch einen Wald, darin ihnen ein Reiter begegnete, der den Tölpel zwang, ihm das Weib zu seinem Willen zu übergeben. Und als er seinen Mantel auf der Erde ausgebreitet, zog er den Gaul darauf und sprach zu dem Bauern: "Nun halte das Pferd beim Zügel und sieh zu, dass es mit keinem Fuß vom Mantel trete, sonst werde ich dir deinen Kopf einschlagen." Danach, als der Reiter seines Weges hinweg geritten, schalt das Weib ihren Mann heftig seiner Kleinmütigkeit halber und dass er solchem Mutwillen nicht anders zuvorgekommen wäre. "Ach, schweig still", sprach der, "du hörtest wohl, wie er mir befahl, den Gaul nicht vom Mantel schreiten zu lassen? Das aber habe ich wohl hundertmal, und zwar auch gern, geschehen lassen - so hat der Gaul den Mantel mit meiner Hilfe voller Löcher gestoßen."


Aus dem Nachwort des Bandes:

Schon Jahrzehnte, bevor das erste jener Bücher, aus denen wir unsere Texte gezogen haben, auf den Markt gekommen war, hatte der Straßburger Frühhumanist Sebastian Brant in seinem berühmten Narrenschiff (1494) gedichtet:

Heuschrecken hütet an der Sonnen
und Wasser schüttet in ein' Bronnen,
wer hütet die Frau, die er gewonnen.

Freilich unterschied der Dichter zwischen schlechten und ehrbaren Frauenzimmern, als er feststellte: "Denn die wohl will, tut selbst das Rechte..." - muss also nicht "behütet" werden. Obwohl mehr oder weniger alle in Brants Nachfolge stehende Autoren bereit waren, weibliches Wohlverhalten zu loben: Interessiert haben sie sich eher für verruchte Vertreterinnen ihres Geschlechts - vorgeblich, um warnen zu wollen vor Lotterei und ungezügelter Fleischeslust sowie vor deren vermeintlich oder tatsächlich zerstörerischen Folgen. In Wirklichkeit aber nicht zuletzt, weil Tugendhaftigkeit zwar erstrebenswert schien, jedoch als langweilig galt. (...)
Erziehung der Leser / Hörer zu gottgefälligem Tun, Verbreitung von Tugend, aber auch die Absicht, das gewogene Publikum möglichst kurzweilig zu unterhalten - so lauteten Grundsätze großer Teile der Literatur im 16. Jahrhundert. Und so konnte ein Schuh aus der hier verhandelten Sache werden: Man führte das Laster vor - im Namen seiner donnernden, bisweilen freilich eher fistelnden Aburteilung! Von diesem hehren Ziel leitete sich die Berechtigung ab, das Anstößige in schillerndsten Farben vor Augen zu führen; es aber ausgiebig zu zeigen, war mindestens den halben Preis des Buches wert. So haben sich in den Texten der Spaß an der Freude, die Freude am Spaß in der Regel verselbständigt. Aus der Sicht unserer Tage sind es nicht die schlechtesten Geschichten, von denen solches zu sagen ist.

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