Prof. Dr. phil. habil. Horst Langer

V. ADDENDA

4. Karl Gottlieb Lappe: Stadt oder Land! Nur nicht zu eng die Räume. Gedichte. Herausgegeben von Horst Langer. Karl-Lappe-Verlag. Greifswald 2012.


Guter Rat

Warum will das Herz dir brechen,
Wenn dich spitze Zungen stechen?
Warum glüht dein Angesicht,
Wenn man albern von dir spricht?
Torheit ist es, Reden rächen.
Ei, so lass die Leute sprechen,
Denn die Gänse können's nicht.

Karl Gottlieb Lappe


Ein wenig Himmel, etwas Grün der Bäume...
Gedichte von Karl Gottlieb Lappe neu herausgegeben

Unter dem Titel "Stadt oder Land! Nur nicht zu eng die Räume" hat der Greifswalder Literaturhistoriker Prof. Horst Langer dieser Tage Gedichte von Karl Gottlieb Lappe (1773-1843) neu herausgegeben. Nachfolgend stellt er den Dichter vor und erläutert das Anliegen der Ausgabe.

Was wissen wir über Karl Gottlieb Lappe?

Sozusagen in Stichpunkten geantwortet: im Pfarrhaus in Wusterhusen geboren, nur einen Steinwurf entfernt vom Greifswalder Bodden, war Lappe in Wolgast Schüler von Ludwig Gotthard Kosegarten, dem "Künder der Schönheit Rügens", später Hauslehrer von dessen Kindern in Altenkirchen auf Rügen, wo Kosegarten die Pfarrstelle innehatte. Zu Lappes Freunden zählten namhafte Zeitgenossen wie Ernst Moritz Arndt, Philipp Otto Runge und Karl Nernst, Verfasser der vielgelesenen "Wanderungen durch Rügen". Ab 1801 war Lappe als Gymnasiallehrer in Stralsund tätig, seit 1817 lebte er mit der Familie bis ein Jahr vor seinem Tod im gesundheitsbedingten vorzeitigen Ruhestand in seiner "Hütte in Pütte", einem Dorf nahe Stralsund, wo Lappe gestorben ist. Früh hat sich der Pommer in die Literaturgeschichte eingeschrieben. Seit einiger Zeit ist er Namensgeber eines Greifswalder Verlags.

Nach der Herausgabe von Büchern über Bartholomäus Sastrow (1520-1603) und Sibylla Schwarz (1621-1638) machen Sie mit der Vorlage des Lappe-Bandes auf einen weiteren Autor aus unserer Region aufmerksam. Was reizt Sie an dieser Arbeit?
Ich möchte dazu beitragen, vergriffene Werke oft nur noch dem Namen nach bekannter Autoren einem breiteren Publikum leichter zugänglich zu machen. Einst hatte Lessing mit Blick auf einen berühmten Zeitgenossen beklagt: "Wer wird nicht einen Klopstock loben?/ Doch wird ihn jeder lesen? - Nein!/ Wir wollen weniger erhoben/ und fleißiger gelesen sein." Um diesem Ziel möglichst nahe zu kommen, wähle ich Texte aus, deren Bekanntschaft wir Heutige nicht aus "Pietät", sondern aus Interesse suchen sollten, weil sie uns durchaus etwas "zu sagen" haben - und weil die Lektüre Vergnügen bereiten, kurzweilig unterhalten kann!

Welche Bedeutung hatte der Dichter Lappe in seiner Zeit?
Sicher gehörte der Pommer nicht zu den ganz Großen der Profession. In der Regel präsentieren sich seine Gedichte in einfachen drei- oder vierhebigen gereimten Versen, verwenden unverschlüsselte, leicht verstehbare Bilder. Viele Texte bieten sozusagen solide Hausmannskost. Lappe selbst bekannte einmal: "...mein Lied ist schlicht." Dennoch, vielleicht auch gerade deshalb erreichten seine Gedichte zumal in der Heimatregion oft ein großes Publikum. Aber auch Goethe und Schiller im fernen Weimar nahmen den Norddeutschen wahr. Zwar verspottete Goethe manche Verse des Pommern in einem etwas gehässigen Wortspiel als "läppisch", doch Schiller veröffentlichte mehrere Lappe-Texte in seinem berühmten "Musenalmanach". Wiederholt wurden Gedichte Lappes von Komponisten wie Beethoven, Schubert und Schumann vertont. Übrigens ist Lappe auch als Prosaschriftsteller hervorgetreten. Weitreichende Aufmerksamkeit fanden jedoch vor allem seine Gedichte.

Was sind hauptsächliche Themen seiner literarischen Arbeiten?
Nicht zuletzt feiert Lappe die Übereinstimmung von Mensch und Natur, wo beide allzu mächtiger Überformung durch Mode und Sittenzwang ("Politur") entgangen waren. Wieder und wieder besang er die herbe Küstenlandschaft, die "stille weiße Aue", sein geliebtes "blaches Feld". Andächtig erlebte er des "Insellandes Alpenreiz", "die Pracht der Berge", Arkona, den Rugard oder den Streckelberg auf Usedom. Gleichzeitig preist der Dichter das Landleben. Der idealisch überhöhte Topos diente traditionell als Gegenpol zum Leben in der Stadt, in dem Hektik und Verderben ausgemacht wurden, das von Missgunst und Neid geprägt schien. Ähnliches hatte bereits Sibylla Schwarz in Gedichten über ihren "Freudenort" Fretow (Frätow) thematisiert.

Hatte Lappe einen Blick für die Probleme und Hoffnungen seiner Zeitgenossen?
Durchaus. Wiederholt finden sich in Versen zumal des alternden Dichters teils freudig-verspielte, teils wehmütige Reflexionen über Lust und Leid, das Auf und Ab im Miteinander der Geschlechter. Mitunter wird es begleitet vom Nachdenken über die menschliche Vergänglichkeit oder die Möglichkeit der Weltflucht. Daneben sind in den Texten des vorliegenden Bandes Auskünfte über den "gemeinen Alltag" des Lehrers oder des Hausvaters sowie über das Amt des Dichters anzutreffen. Distanziert äußerte sich Lappe in späteren Jahren über eine lebensfremde Gelehrsamkeit. An der Schwelle des Alters fühlte er sich von seinen zahlreichen Büchern, den "unsterblichen Leichen", beziehungslos angestarrt. Doch diese Empfindung mündete keinesfalls in Resignation. Im Gegenteil mischte sich der Dichter ausgelassen unter Kinder, "ein Junger unter Jungen" - ein Mann zugleich, der zu wissen glaubte, was Tag und Stunde von ihm verlangten "im heißen Lebenkriege", nämlich "Kampf und Männertat". "Ja, das Leben ist Kampf", rief er in zeitgebundener Leidenschaft aus, "und wir sind einberufen, Mann für Mann." Ein breites Spektrum an Themen also, die uns in den Gedichten begegnen.

Wird es weitere Bemühungen um das Werk Lappes geben?
Das muss sich zeigen. Ob und wann sich weiterreichende Pläne verwirklichen lassen, hängt nicht allein vom guten Willen des Verlags und des Herausgebers ab.
Aus: VORPOMMERN MAGAZIN, Greifswald Juli 2012, S. 20-21.

Horst Langer, Arbeitsbericht über die Herausgabe älterer Lyrik aus Pommern . In: Informationen aus dem Ralf Schuster Verlag. Heft 7, S. 67-74. Passau 2013.

(...) So stellte sich die Situation dar, als der Verfasser dieser Zeilen dem Karl-Lappe-Verlag vorschlug, eine kleine Lesebuch-Anthologie mit ausgewählten Texten seines Namenspatrons herauszugeben. Grundsätzlich wurden sich Verlag und Herausgeber schnell einig. Sodann begann der mühevolle Weg durch die Ebenen. Vor Beginn der Text-Auswahl war es notwendig, Antworten auf eine Reihe wichtiger Fragen zu suchen, etwa auf diese: Wie konnten Lappe-Gedichte, und mit ihnen der Autor, dem heutigen Publikum gebührend nahegebracht, welche Auswahlkriterien sollten zugrundegelegt werden? War es empfehlenswert, Texte zu präsentieren, die vor allem den Gestaltungs- und Wirkungsabsichten des Dichters entsprachen und die Aufnahmegewohnheiten seiner Zeitgenossen berücksichtigten - oder sollte die Auswahl in erster Linie Erwartungen gegenwärtiger Leser entgegenkommen? Wie sich schließlich zeigte, war eine Entweder- Oder-Entscheidung nicht erforderlich. Als wünschenswert und richtig erschien es, eine Sammlung zu erstellen, die sowohl das Denken und Empfinden Lappes dokumentierte, als auch heutige Rezipienten ansprechen würde, und zwar nicht aus Gründen historischer "Pietät", sondern aus aktuellem Interesse. Insbesondere sollte die Lektüre Vergnügen bereiten - gemäß dem berühmten Horaz-Motto, literarische Texte sollten nützen respektive unterhalten (aut prodesse volunt aut delectare poetae) oder aber Nutzen und Vergnügen stiften (aut simul et iucunda et idonea dicere vitae; aus: Ars Poetica). / Unter den skizzierten Voraussetzungen erschien es legitim, ja zwingend, auf Gedichte zu verzichten, die für Lappe und seine Zeitgenossen womöglich von besonderer Bedeutung waren, aber heute vermutlich nur geringe Aufmerksamkeit finden würden: schwer nachvollziehbarer (Bildungs-) Bezüge wegen oder deshalb, weil die ihnen innewohnende Emotionalität für den heutigen Geschmack hier und da etwas übersteigert erschien. Gelegentlich erwies sich auch die Überlänge von Texten als hinderlich. / Die editorische Hauptaufgabe bestand darin, dem Dichter ein guter Dolmetsch zu sein, das heißt: seine Arbeiten in einer Weise zu präsentieren, die so viel wie möglich von seiner Persönlichkeit, seinem Wollen, dem gedanklichen Gewicht seiner Texte, als auch von deren Schönheit und der literarischen Meisterschaft des Autors vermittelte. Ein weiteres Auswahlkriterium bestand darin, Gedichte vorzulegen, die Assoziationen der Leser zu eigenen Erfahrungen ermöglichten, ja provozierten. Von diesen Prämissen ausgehend, haben Verlag und Herausgeber ein Büchlein gestaltet, das eine erste aktuelle Annäherung an Karl Lappe versucht. Wie bereits der Titel andeutet, fußen die in ihm enthaltenen Gedichte wiederholt auf Impressionen, die der Dichter dem Erleben seiner pommerschen Heimat, zumal der sie prägenden Natur verdankte. Zugleich stellen viele Verse darüber hinausweisende allgemeinere religions-philosophische Fragen nach der Bestimmung des Menschen, dem Sinn des Daseins - oft in engem Bezug zu Maximen der Aufklärung. Alle entsprechenden Aspekte finden sich in den Gedichten wieder, die in dem Büchlein versammelt sind. (...) Zuversichtlich und zurecht sinnierte Lappe gegen Ende seines Lebens in dem Gedicht "An meine Lieder": Ihr sinkt vielleicht nicht alle./ Was oben bleibt, ist gut.

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